MÜLL-RECYCLING-KUNST – Diskussions-Finissage
Nicht erst am letzten Tag der Ausstellung wurde diskutiert, informiert, angeregt und in Frage gestellt.
Schülerinnen und Schüler kamen mit ihren LehrerInnen um sich von der Ausstellung ein Bild zu machen. Piroska Schabauer-Jakab führte in die künstlerische Arbeit im Umgang mit Müll ein und Doris Hahnl, Abfallberaterin vom Gemeindeverband für Abfallwirtschaft, informierte über den Weg, den unsere weggeworfenen Dinge nehmen und appellierte an einen bewussten Umgang mit Müll.
Der definitiv letzte Tag der Ausstellung wurde mit einer Diskussion über Müll und Kunst beendet. Piroska Schabauer-Jakab hat die Gedanken dazu weiter unten zusammengefasst.
Es war eine spannende Runde, spannend wie das Thema selbst.
Was ist Kunst, was ist Müll, wo ist der Zusammenhang?
Ich glaube, wenn man nicht differenziert, landet man in einer Sackgasse.
„Kunst darf alles“ (J. M.), die Frage ist, ob und wie sie ankommt. Seiten- und Sackgassen sind unzählig. Definitionen haben ihre Tücken, heißt aber nicht, dass man es nicht versuchen darf. Fatal ist es, wenn man sich einbildet, man hätte es „aus-definiert“. Man hüte sich vor schalen Doktrinen.
„Müll ist ein Material am falschen Ort, zur falschen Zeit, in der falschen Form“ (J. M. ) (…falsche Menge, falscher Zusammenhang, falscher Ausgangspunkt, usw. ) Konkrete Frage: Darf man weggeschmissene Kaffeekapseln aus Aluminium für Kunstwerke verwenden? Weggeschmissene Netze für Lebensmittelverpackungen in Kunst verwandeln? Achtung!: „Kunst darf alles“! Da stolpert man schon über die eigene Definition. Eben, Differenzierung ist angesagt. Wenn Kunst alles darf, warum kann man in der Kunst den Kunststoff nicht verherrlichen? Nur weil er wo anders giftig ist (und ungeachtet dessen trotzdem verwendet wird)? Ist doch ein schönes Material, wenn man das Auge dazu hat. Ich wünsche nur, dass so wenig vom Müll übrig bleibt, dass es nur für den Kunstbedarf reicht und so teuer wird, wie damals Ultramarin in Lapislazuli (Wert des Goldes, in Vergleich zum billigen künstlichen Ultramarin, was als Malmittel das selbe kann). Acrylfarben sind künstlich, die können aber etwas, was Ölfarben nicht können, und umgekehrt. Rostiges Eisen ist sowieso ein Kapitel für sich.
Unser Vorsatz bei der Ausstellung war: Müll in KUNST! zu verwandeln. Und natürlich durch Ästhetisierung! Ästhetik ist eine Wissenschaft des Empfindens, hat viele Kategorien, unter anderem: Ästhetik des Schönen und Ästhetik des Hässlichen. Nimmt man z. B. als „Rohmaterial“ den bekanntesten Müll in der Kunst, den Kitsch oder die aggressive Werbung, Propaganda-Slogans, usw., und verwendet man sie für das Schaffen eines Kunstwerks (A. C. hat in der Ausstellung genügend Beispiele in seinen bemalten Büchern geliefert), dann hat man ÄSTHETISIERT, denn das Endergebnis ist ästhetisch. Hat man auch verherrlicht??? Soll jeder für sich beantworten.
Ai Weiwei hat tausende von gestrandeten Schwimmwesten in EIN Kunstwerk verwandelt (Konzerthaus Berlin). Da wirkt die schiere Menge und die Dringlichkeit des Handelns in einer Zeit wie unserer. Hat er was verherrlicht? Außer die Kraft der Kunst?
Ein guter Zwischenruf: Kunstwerke sind absolut einzigartig und sind als Einzelstücke zu betrachten (wenn nicht, dann sind die Ausgaben limitiert) und nicht Trashdesign in MASSENPRODUKTION! Kunst ist keine Ware, obwohl damit gehandelt wird. Sie wird geschaffen und nicht produziert, reproduziert, kopiert, plagiiert und fabriziert. Ein Labyrinth aus Kunststoffnetzen gibt es auch nur eines (über die Qualität kann man diskutieren). Man kann es zwar begehen, ist aber kein Gebrauchsgegenstand. Giftig? Zyanfarben und Bleiweiß sind vielleicht giftiger, wir essen sie aber nicht, eher werden die kleinen Partikeln der Verpackungs-Netze von Obst und Gemüse mit-gegessen. Mittlerweile wissen wir ziemlich genau wo, warum, inwiefern und welche Kunststoffe giftig sind. Kunst kommt auch ohne sie zurecht, die Frage ist, ob der Mensch imstande ist, dort dagegen zu agieren, wo es schon längst wirklich notwendig wäre.
Design an sich ist zwar ein Kunstzweig mit eigenen Regeln, doch wenn die Stücke produziert werden, kann das einzelne Stück nicht mehr als Kunstwerk betrachtet werden. Vor allem wenn ursprünglich veraltete LKW-Planen zur Taschenproduktion verwendet werden und dann sogar solche Planen extra erzeugt werden, um der Nachfrage nach diesen „cool“ gewordenen Taschen gerecht zu werden (R.P.)
„Kunst hat Absicht“ (A. C.), und ich glaube nicht, dass diese Absicht nur darin besteht, den Betrachter mit Fragen zurück zu lassen. Das wäre nur ein Rätselspiel. Die meisten wollen nur wissen, was dargestellt wird. Manche wollen wissen, was beabsichtigt wurde. Ich glaube daran, dass Kunst eine beidseitige Angelegenheit ist. Wenn eine Botschaft nicht gleich ankommt, ist nicht immer der Absender schuldig. Wenn der Empfänger nicht rezeptionsfähig ist, was den Inhalt oder die Art der Ästhetik anbelangt, kann‘s lange dauern, bis diese Botschaft, wenn überhaupt, je ankommt.
Die Absicht in dieser Müll-Recycling-Kunst-Geschichte könnte heißen z. B. bringe den Müll in einen anderen, vielleicht auch ästhetischen Zusammenhang und „wenn auch nur eine Person den Müll auf meinem Bild betrachtet und sich dadurch mit Müllvermeidung beschäftigt,“ (S.E.) hat sich unsere Arbeit schon gelohnt.
Mach etwas, was in deiner Macht steht, selbst wenn das wenig erscheint. Es ist nicht genug zu verstehen, es ist nicht genug zu erklären, es ist nicht genug zu kritisieren, wir müssen es auch tun. Es gibt immer Alternativen, es ist perfide, immer auf die Aussichtslosigkeit hinzuweisen um die eigene Ohnmacht, Bequemlichkeit und Wohlstand zu verteidigen.
Noch einmal Danke an alle, die sich getraut haben, beim Projekt mitzumachen.
Piroska Schabauer-Jakab